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Lessingtheater (Nürnberg)

Der Reiseschriftsteller Carl Julius Weber schrieb um 1826: "Nürnberg ist zu arm für ein schönes Theater und für eine ausgezeichnete Theatergesellschaft". Diese Aussage traf sicherlich auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zu – die alte Noris lag in Schutt und Asche. Aber, schon bald nach Kriegsende wuchs der Wunsch nach Theateraufführungen in der Bevölkerung, hatte Nürnberg doch schon seit 1628 den ersten festen kommunalen Theaterbau Deutschlands (Fecht-/Tagkomödienhaus).


Bevor am 9. September 1959 das Schauspielhaus eröffnet wurde, hatten die Nürnberger Theaterleute in der Nachkriegszeit eine andere Spielstätte: Das Lessingtheater in der Lessingstraße. Der Schauspieler Karl Pschigode war es, der das Privattheater ins Leben rief.

Nach dem schweren Bombenhagel vom 2. Januar 1945 war das "Alte Stadttheater" am Lorenzer Platz völlig zerstört und somit war vorerst für Sprechtheater kein geeigneter Spielort mehr vorhanden. Das Opernhaus, für solche Aufführungen sowieso eher ungeeignet, wurde nach Kriegsende von den amerikanischen Besatzern als Kino- und Theatersaal benutzt und stand den Nürnbergern erst ab 1951 wieder zu Verfügung.

In den frühen Nachkriegsjahren dienten die Bucher Säle ("Neues Theater") als Spielstätte für Opern- und Operettenaufführungen, die Aula der Zeltnerschule als Kammerspiele. In direkter Nachbarschaft zum Opernhaus begann Karl Pschigode 1946 mit dem Aufbau seines Privattheaters. In der Ruine des Hotels "Deutscher Hof" mit seinem angebauten Saalbau, der einst dem Lehrerverein als Festsaal diente, entstanden in dieser Zeit die ersten, neuen "Bretter die, die Welt bedeuten". Ein von der amerikanischen Militärregierung eingesetzter Treuhänder verpachtete den hinteren Teil des ehemaligen Lehrervereinshauses an den Theatermacher.

Pschigode wollte die neue Spielstätte "Intimes Theater" nennen, worauf der Betreiber des ehemaligen Theaters gleichen Namens in der Johannesgasse intervenierte. So entstand in Anlehnung an den Straßennamen die Bezeichnung Lessingtheater. Theaterdirektor Karl Pschigode war alles in einer Person – künstlerischer Leiter und Gesellschafter. Das kleine, im zweiten Stock gelegene Schauspielhaus, wurde am 16. Mai 1948 mit Shakespeares Stück "Wie es Euch gefällt" eröffnet. Bespielt wurde es durch das städtische Ensemble. Nachdem dem Lessingtheater während der Währungsreform der Konkurs drohte, übernahm die Stadt Nürnberg am 1. Juni 1949 die Schulden und gliederte die Spielstätte den Städtischen Bühnen an, deren Intendant Pschigode inzwischen geworden war. Die monatliche Miete betrug 5.000 DM.
Das Lessingtheater bot 561 Zuschauern Platz und hatte eine relativ kleine Bühne, deren Tiefe nur sieben Meter betrug. Bei diesen beengten Platzverhältnissen waren die Besucher der ersten Reihen schon mal "mittendrin statt nur dabei". So berichteten die Nürnberger Nachrichten 1959, dass einer Besucherin einmal, durch ein auf den Bühnenboden geschmettertes Sektglas, die Wange angeritzt wurde.

Räumliche Tiefe versuchte man auf der Lessing-Bühne durch Schleiervorhänge zu erzeugen. Bei den beengten Raumverhältnissen ging es auch hinter der Bühne eng zu. Die Souffleuse musste oft seitlich in den Kulissen arbeiten und für alle Künstler stand nur eine Toilette zur Verfügung, was zu erheblichen Schlangen vor selbiger gesorgt haben soll. Trotzdem wurden im Lessingtheater Stücke mit mehr als 50 Mitwirkenden aufgeführt. In mehr als zehn Jahren fanden über 200 Premieren, zwölf Ur- und 15 Erstaufführungen statt. Mit Eröffnung des neuen Schauspielhauses im September 1959 kam das Aus für das improvisierende Lessingtheater, dass bis dahin (lt. Pschigode) 1,5 Millionen Besucher erlebt hatte. In diesem Jahr berichteten die Nürnberger Nachrichten: "Der letzte Vorhang fällt". Mit dem "Widerspenstigen Heiligen" fiel er dann tatsächlich der allerletzte Vorhang und der Theaterkritiker der NN merkte an:

"Lasst uns, wenn wir jetzt vom Lessingtheater Abschied nehmen, nicht das in den Vordergrund stellen, was doch nur Begleiterscheinungen einer Nachkriegslösung waren ... lasst uns im Gedanken das erfassen, was das Lessingtheater bedeutete, als es entstand, und was es getan hat all die Jahre: Es war viel Gutes dabei."

Wenn man den großen Bannern an der Fassade des vorderen Gebäudekomplexes am Frauentorgraben (Deutscher Hof/ehemaliges Arbeitsamt) glauben darf, wird das Areal in Zukunft einen Um- oder sogar Neubau erfahren. Wahrscheinlich wird dann auch die noch stehende Hülle des zugehörigen Lessingtheaters endgültig Geschichte sein.
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Lessingtheater
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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: NEL, SB02, SLN

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