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Ferdinand Schmidt. Der Nürnberg-Fotograf.

Albrecht Dürer, Nürnbergs berühmtesten Sohn, ist ja weithin bekannt. Aber wer war Ferdinand Schmidt? Schmidt war DER Photograph, der das Stadtbild Nürnbergs während der Industrialisierung fotografisch dokumentierte. Ihm und seinem Vater Georg verdanken wir einzigartige Ansichten der Stadt Nürnberg von ca. 1846-1909. Natürlich gab es seit Mitte des 19. Jh. auch andere Fotografen im Stadtgebiet, aber kein anderer hat die Veränderungen der sich wandelnden Stadt im Industriezeitalter so intensiv im Bild festgehalten. Das ein umfangreicher Fundus an Aufnahmen auch heute noch erhalten ist, verdanken wir dem Umstand das Schmidt auch städtische Auftragsarbeiten ausführte und der Witwe des Fotografen, Kunigunda "Gunda" Schmidt (spätere Stich, Gundel), die seit 1924/25 den Ferdinand-Schmidt-Verlag führte. Nach deren Tod (ca. 1935) wurden über 2000 Glasnegative und ca. 80 Originalabzüge der städtischen Verwaltung übergeben.

Die Familie Schmidt – Ferdinands Vorfahren

Ferdinands Großvater, Georg Schmidt, war Brillenmacher und zog 1825 mit Ehefrau Anna Susanna und seinen beiden Kindern Margaretha und Georg (Ferdinands Vater) in das neu erworbene Anwesen Burgstraße 26 ein. Ohne Einwände des Vaters durfte Sohn Georg Kunstmaler werden. Er besuchte zwischen 1828 und 1831 die Nürnberger Kunstschule und trat 1830 erstmals mit drei Ölgemälden bei einer Ausstellung seiner Lehranstalt an die Öffentlichkeit. 1838 vollendete er seine Ausbildung an der Münchener Kunstakademie. Bei seiner Trauung mit Friederike Sophie Kauscher (einer Bildnismalerin) am 20. Oktober 1839 wurde sein Beruf als Kunst- und Portraitmaler angegeben. Die Eheleute zogen in Schmidts Elternhaus ein.

Georg Schmidt hatte Erfolg. Er stellte bei den Kunstausstellungen des Albrecht-Dürer-Vereins aus und war 1840 mit zwei, 1841 mit drei und 1842 bereits mit neun Arbeiten vertreten.

Am 19. Juni 1840 wurde Sohn Georg Andreas Ferdinand geboren – weitere vier Kinder folgten.

1846 tat Ferdinands Vater Georg einen entscheidenden Schritt. Georg Schmidt hatte sich ein "Photographisches Atelier" eingerichtet und nannte sich fortan "Maler und Photograph". Neben Friedrich Hahn am Neutor, waren es die ersten fotografischen Ateliers in Nürnberg. Ab dem Jahr 1849 war für das Fotografengewerbe eine behördliche Erlaubnis erforderlich, die Georg Schmidt auch erhielt, und er deshalb ab 1852 nur noch die Berufsbezeichnung "Photograph" führte.

Die noch junge Fotografie entwickelte sich rasch. Ein Konkurrenzkampf zwischen den bildnerisch tätigen Malern, Zeichnern und Stechern auf der einen, und den Fotografen auf der anderen Seite bahnte sich an. Viele der Miniaturmaler wechselten in den folgenden Jahren in das Fotografengewerbe und machten fortan "Aufnahmen nach der Natur".

Georg Schmidts "Photographisches Atelier" entwickelte sich prächtig, sodass im Jahr 1851 ein verglaster Atelieranbau notwendig wurde. Alles stand auf Expansion. Im Jahr 1859 konnte Schmidt das nebenan gelegene Gebäude, Burgstraße 24 kaufen. Schon in dieser Zeit schien sich abzuzeichnen das der junge Ferdinand einmal in die Fußstapfen seines Vaters treten wird. Ferdinand begleitete seinen Vater öfters zu den Fotoaufnahmen und assistierte ihm.



Ferdinand Schmidt. "Specialitäten: directe Originalaufnahmen nach der Natur"

Bis zum Tod seines Vaters, 1867, wohnte Ferdinand bei dem Schlossermeister Wilhelm Stich in der Tetzelgasse 43. Hier schien er sich Fertigkeiten angeeignet zu haben die ihm später bei der Anfertigung fotografischer Geräte sehr nützlich waren. (Stichs Sohn Michael wird im Werdegang Ferdinands noch eine Rolle spielen.)

Im Todesjahr seines Vaters heiratete Ferdinand Schmidt die Bäckergesellentochter Anna Margarethe Kurz und trat auch das (fotografische) Erbe seines Vaters an. Einen Monat nach dessen Tod erhielt Schmidt die offizielle Lizenz für das Fotografengewerbe. Nach dem Tod seiner Frau Margarethe (Datum ist nicht bekannt) heiratete Ferdinand ein zweites mal.


Wer nicht wirbt, der stirbt. "Zu Aufnahmen von Leichen stets in Bereitschaft."

Schmidt hatte auch ein Gespür für das Marketing. Bereits 1867 stellte er sich mit einer Visitenkarte vor die auch sein Konterfei enthielt. Im selben Jahr schaltete er drei Anzeigen im Fränkischen Kurier mit folgendem Inhalt:

"Photographische Anzeige. Durch die Übernahme des von meinem sel. Vater vor 18 Jahren gegründeten, sich besten Renommes erfreuenden photographisches Geschäftes, sehe ich mich veranlaßt, solches einem geehrten Publikum, sowie einem hohen Adel bekannt zu geben, indem ich mich gleichzeitig in allen in die Photographie einschlagenden Genres bestens empfohlen halte, als: Bilder auf Papier von den kleinsten Visitenkarten bis zu zwei Schuh Größe, auf Bestellung auch lebensgroße Brustbilder, Portraits auf Glas (Transparente) als Fensterschmuck und Lichtschirme ec., sowie Bilder auf Porzellan, fest eingebrannt und von allen Witterungseinflüssen unzerstörbar, verwendbar auf Bierdeckel, Brochen, Cigarrenetuis ec., Teller, Vasen, Pfeifenköpfe, Ringe ec., des gleichen die in diesem Geschäfte schon seit vielen Jahren gefertigten Chromofotografien, Promotypien oder Bilder auf Glas. Zu Aufnahmen von Leichen stets in Bereitschaft. Verkleinerungen und Vergrößerungen nach allen Bildern; Aufnahmen auf Bestellung von Privatgebäuden, und halte schließlich stets ein Lager von sämmtlichen hiesigen Baudenkmälern und hübschen Ansichten zur Auswahl. Mit dem Wunsche, mich mit gefälligen Aufträgen recht zahlreich zu beehren, zeichnet mit aller Achtung Ferdinand Schmidt jun., Maler und Photograph. Burgstraße S. 614."

Auch auf der Rückseite seiner Portraitaufnahmen aus den 1880er Jahren war zu lesen: "Spezialitäten: directe Originalaufnahmen nach der Natur von lebensgroßen Brustbildern sowie Gruppen bis zur unbegrenzten Personenzahl ..." Auf seinen Briefbögen pries er sich in erster Linie als Architekturfotograf, in Zweiter erst als Portraitkünstler an.

Die Verbesserungen im Lichtdruckverfahren, Anfang der 1890er Jahre, bedeuteten auch für Ferdinand einen erweiterten Kundenkreis. Viele Verleger griffen auf Schmidts Stadtansichten zurück und veröffentlichten Postkarten und Mappen über Nürnberg. (Zu dieser Zeit wurde Schmidt zwar noch nicht als Urheber genannt und wahrscheinlich auch noch nicht entlohnt. Dies sollte sich aber ändern.) Auch war Schmidt darauf bedacht bei Ausstellungen präsent zu sein. Er war vertreten bei der "Ausstellung von Arbeiten der vervielfältigenden Künste im Bayerischen Gewerbemuseum", zu der er auch kostenlos Bildmaterial für die "Kunstbeilagen" zur Verfügung stellte.

Schmidt war auch sehr engagiert was die Kundenakquise betraf. Er wurde vorstellig bei verschiedenen Institutionen, Vereinen, städtischen Gremien etc. und hatte damit Erfolg. Zahlreiche Aufnahmen die im städtischen Auftrag angefertigt wurden belegen dies. Er fotografierte den Wagenpark der Straßenbahn nebst Angestellten und die Betriebsgebäude des Schlachthofs. Der Bleistiftfabrikant Johann Faber beauftragte ihn 1873, anlässlich seiner silbernen Hochzeit, zur Zusammenstellung eines Fotoalbums: die "Chronik der Gemeinde Stein".

Als Mitglied des Albrecht-Dürer-Vereins nutzte er auch immer dessen Ausstellungen um seine fotografischen Erzeugnisse der Öffentlichkeit vorzustellen. Dem konkurrierendem Verein, der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung, kam er mit Preisnachlässen seiner Werke für die alljährlich stattfindende Verlosung entgegen.

Der Stadt- und Architekturfotograf. Aufnahmen des historischen Nürnberg. Aufnahmen der modernen Baulichkeiten.

Die Stadt Nürnberg griff immer wieder auf die Dienste Ferdinand Schmidts zurück. Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des Germanischen Nationalmuseums wurde er 1902 beauftragt alle Museumsgebäude einschließlich der Ausstellungsräume abzulichten. Im Jahr zuvor hatte er bereits die Gartenbauausstellung und die Heilstätte Engelthal fotografiert.

Sein größter Auftrag aber war die Dokumentation der dritten Landes-Gewerbe-Ausstellung im Jahr 1906. Schmidt fertigte nahezu 200 Aufnahmen an. Ein Jahr später wurde er mit der Dokumentation des Alten Rathaussaales beauftragt.

Auch an Aufträgen von Nürnberger Händlern und Handwerkern scheint es nicht gemangelt zu haben. Zahlreiche Aufnahmen von Ladengeschäften und Handwerksbetrieben – teils mit Personal – belegen dies. Bei Aufnahmen ohne Personen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um "freie" Fotografien ohne Auftrag handelt, die Schmidt zur eigenen Dokumentation des Nürnberger Stadtbildes anfertigte.

Unzählige Aufnahmen belegen auch, dass Schmidt den kontinuierlichen Wandel im Industriezeitalter dokumentierte und nicht bloß "Postkartenansichten" vom historischen Nürnberg anfertigte. Er versuchte dabei immer den gleichen Standpunkt und Ausschnitt zu wählen – so entstanden praktisch "Vorher/Nachher-Aufnahmen". Dies kann man beispielsweise an Fotografien von 1898 und 1903 des Grolandhauses am Paniersplatz 20 sehr gut erkennen.

Aber auch die Ansichten für Postkarten schienen lukrativ gewesen zu sein. Bereits 1898/98 hatte Schmidt ein "Verzeichnis der Nürnberger photographischen Aufnahmen" herausgegeben. Thematisch geordnet, erleichterte ein solches Verzeichnis den Bestellvorgang erheblich. Zahlreiche Aufnahmen Schmidts waren als Postkarte im Umlauf. Ob Ferdinand Schmidt immer als Urheber genannt wurde und ob er an den Umsätzen beteiligt wurde kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da ein gesetzlicher Urheberschutz erst 1907 in Kraft trat. Vor 1907 wurde die Fotografie, im Gegensatz zur Graphik und Malerei, noch nicht als eigene Kunstform angesehen.

Reportageaufnahmen, wie etwa die der abgebrannten Nägeleinsmühle vom 26. Juni 1876 oder die Aufnahme des Zeppelins über der Nürnberger Burg am 30. Mai 1909 bilden eher die Ausnahme des Schmidtschen Schaffens.

Einerseits dienten Schmidts Nürnberg-Fotografien den Malern, Zeichnern und Stechern der Andenkengraphik als Vorlage für ihre Arbeiten die dann teils sehr romantisierend umgesetzt wurden. Andererseits nutze Ferdinand Schmidt ältere Ansichten eben dieser Künstler als Anhaltspunkte für den Standpunkt und die Perspektive seiner fotografischen Aufnahmen.

Die fahrende Dunkelkammer

Die Fotografie hatte sich seit der "Erfindung" durch Daguerre im Jahr 1835 bis zur Schaffensperiode Schmidts stetig und ziemlich schnell weiterentwickelt. Durch minutenlange Belichtungszeiten sind auf vielen frühen fotografischen Aufnahmen keine Menschen zu sehen. Diese verschwanden durch ihre Bewegung durchs Bild gänzlich oder tauchten nur als verschwommene "Geisterbilder" auf.

Ferdinand Schmidt arbeitete mit dem 1850 erfundenen, nassen Kollodium-Verfahren. Dieses erforderte viel Geschick und Erfahrung. Der Fotograf musste seine Glasplatten kurz vor der Aufnahme mit einer sogenannten Kollodiumflüssigkeit selbst beschichten. Die so präparierte Platte wurde dann in nassem Zustand in der Kamera belichtet und musste anschließend sofort entwickelt werden. Eine zeitliche Trennung von Aufnahme und Entwicklung war (noch) nicht möglich. Da Staubkörner oder Kratzer das Ergebnis verschlechterten, war Reinlichkeit im Produktionsablauf oberstes Gebot. Das Kollodium-Verfahren hatte aber trotz seiner Umständlichkeit den entscheidenden Vorteil das es Aufnahmen in höchster Detailtreue und Schärfe lieferte.

Der Fotograf musste in jener Zeit neben Kamera und Stativ also noch viele Utensilien "mitschleppen", was die Berufsausübung nicht gerade vereinfachte. Ferdinand Schmidt hatte, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, eine gehobenere fotografische Ausrüstung. Seine mobile Dunkelkammer befand sich nicht in einem Zelt, sondern in einem von zwei Pferden gezogenen Wagen. Und er hatte mindestens einen Assistenten. Diesen Pferdewagen nutzte Schmidt auch gerne um einen erhöhten Aufnahmestandpunkt zu erlangen.

Wenn man bedenkt wie sperrig und schwer Kamera, Stativ und Glasplatten waren, kann man sich vorstellen das Schmidt völlig durchgeschwitzt sein musste als er am 30. Mai 1909 (kurz vor seinem Tod) auf den Nordturm der Sebalduskirche stieg, um den völlig überraschend aufgetauchten Zeppelin über der Nürnberger Burg im Bild festzuhalten.


"M. Stich. Firma Ferdinand Schmidt Nürnberg"

Ferdinand Schmidt litt in seinem letzten Lebensabschnitt an Arterienverkalkung und verstarb am 22. August 1909 im Alter von 69 Jahren.

Michael Stich der bereits seit 1881 bei Schmidt arbeitete führte gemeinsam mit der Witwe Gunda Schmidt das Geschäft weiter. Wahrscheinlich aus rein zweckmäßigen Gründen heirateten Michael und Gunda am 2. April 1911. Der Pferdewagen trug fortan die Aufschrift: "M. Stich. Firma Ferdinand Schmidt Nürnberg".

Aber diese Ära der Firma Schmidt sollte nicht lange Bestand haben. Michael Stich litt an einem Leberleiden und starb am 17. April 1918 im Alter von 59 Jahren.

Die zweifache Witwe sah keine Möglichkeit mehr den Betrieb fortzuführen. Gunda Stich heiratete 1919 den "Handelsvertreter in Lebensmitteln" Johann Gundel und gründete 1924/25 einen Kunstverlag in dem sie den Nachlaß Schmidt/Stich verwaltete. Dieser Verlag existierte bis in das Jahr 1935 – vermutlich das Todesjahr der Kunigunda "Gunda" Gundel.

Nürnberg verdankt Ferdinand Schmidt einzigartige Ansichten der sich wandelnden Stadt im Industriezeitalter. Ohne seine Aufnahmen hätten wir wahrscheinlich nur einen rudimentären Einblick in das Leben, die Architektur, die Romantik und den topographischen Wandel Nürnbergs vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

Nicht unerwähnt bleiben sollen auch zwei weitere Fotografen, die uns vor, während und nach dem Krieg eindrucksvolle Nürnbergfotos hinterließen: Lala Aufsberg (1907-1976) und Ray D´Addario.


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Kaiserburg
Ansichtskarten
Dürerhaus
aus dem Kunstverlag
Kettensteg
Ferdinand Schmidt


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Text: mw
Fotos: Ansichtskarten aus dem Kunstverlag Ferdinand Schmidt
Verwendete Literatur: FSP, FSW

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