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Bleistiftindustrie in Nürnberg

"Zu den interessantesten und in ihren Folgen weittragendsten Erfindungen gehört unstreitig auch diejenige des Bleistiftes. Wir können uns heutzutage kaum eine Vorstellung machen, dass man Jahrtausende lang dieses Schreibmittel entbehrte." So beschrieb Bleistiftfabrikant Johann Faber 1898 die Bedeutung des Bleistiftes. Doch bis in die Zeit dieser Aussage war es ein langer, beschwerlicher Weg. Der älteste Beleg eines "Bleiweißstiftmachers" in Nürnberg ist datiert auf das Jahr 1662. Die Qualität, der in einfacher Handarbeit gefertigten Produkte, galt als billig und schlecht..


Handgefertigte Stifte wurden noch nicht vom "Bleistiftmacher" allein hergestellt. An der Fertigung waren ein Schreiner für die Holzfassung und der Bleiweißschneider für die Füllung beteiligt. Ein eigenes Gewerbe welches die Bleistiftmacher forderten wurde vom Rugamt abgelehnt. Erst 1708 wurde diese Entscheidung revidiert und seit 1738 gab es eine eigene Handwerksordnung für dieses Gewerbe – dies führte zur Loslösung vom Schreinerhandwerk.

Innovativ war die Bleistiftherstellung in Nürnberg (noch) nicht. Technische Entwicklungen fanden in England und Frankreich statt. Der Franzose Jaques Conté entdeckte 1795 den Ton als Bindemittel für Graphit – dies wurde von den Handwerksmeistern in der Pegnitzstadt jedoch nicht aufgegriffen. Durch die rückständigen Produktionsverfahren galt die Nürnberger Ware weiterhin als minderwertig. Beschwerden der Abnehmer blieben nicht aus und Klagen wie, "(...) das ihnen oft nur Holzstäbe, die an beiden Enden mit Graphit betupft waren, als Bleistifte verkauft wurden, oder dass speziell die Nürnberger Fabrikate nur an den Spitzen guten Graphit enthielten, sonst aber schlechtes Material eingelegt war." waren an der Tagesordnung.

Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer zeichneten ihre Meisterwerke bis zum 16. Jh. noch mit Griffeln die Blei enthielten. Der Nachteil war, dass diese Blei nur wenig Farbe abgab. Die Künstler mussten also kräftig aufdrücken um ihre Striche zu Papier zu bringen. Das um 1550 in Borrowdale gefundene Graphit, welches ursprünglich fälschlicherweise als "schwarzes Blei" bezeichnet wurde, brachte die Wende. Doch auch das "englische Blei" hatte Nachteile: Es war äußerst brüchig.

Die Nürnberger Bleistiftmacher hinkten der Entwicklung lange hinterher und vertrauten mangels Wissen auf ihre rückständigen Produktionsmethoden. Dies lag aber auch in der Handwerksordnung begründet. Da die Bleistiftherstellung zu den gesperrten Handwerken zählte, durften Gesellen nicht auf Wanderschaft gehen. Auch Lehrlingen und Meistern war es untersagt die Stadt ohne Erlaubnis des Rats zu verlassen. Dies diente einerseits dazu, dass die vermeintlich zeitgemäßen Produktionstechniken die Stadtmauern nicht verließen, andererseits gelangten auch keine technischen Neuerungen aus anderen Regionen in die Reichsstadt. Das änderte sich erst 1785 als das Rugamt die Handwerksordnung auflockerte. Den innerstädtischen Handwerkern war es jetzt erlaubt Heimarbeiter, Frauen und Ungelernte anzustellen – sogenannte "Stümpler" die außerhalb der Stadtmauer produzierten taten dies schon länger, weil sie nicht der städtischen Handwerksordnung unterlagen. Man nutzte jetzt auch die Wasserkraft für das Mahlen des Graphits. Die Umstellung vom Handwerk zur industriellen Fertigung kündigte sich an.


Vom rückständigen Handwerk zur Bleistiftindustrie mit Weltruf

Die "Bayuwarisierung" Nürnbergs (1806) brachte die komplette Auflösung des Rugamtes mit sich. Dieses Amt bestand aus vier Ratsherren und einem Pfänder der die Beaufsichtigung der Handwerker innehatte. Es galten fortan einheitliche Handels- und Herstellungsbedingungen. Aber, man musste die Konkurrenz in Österreich und Frankreich fürchten. Dort wurden Stifte produzierte, die durch unterschiedliche Mischungsverhältnisse von Graphit und Ton verschiedene Härtegrade aufwiesen. Es war in Nürnberg also an der Zeit selbst tätig zu werden und den Wissensrückstand aufzuholen.

Einer der Fabers analysierte 1873 die Lage der Nürnberger Fabrikanten so: "(...) es ist schwer, das einmal verscherzte Vertrauen und die einmal verlorene Achtung wieder zu gewinnen. Die Niederlagen, die durch einzelne gewissenlose Unternehmungen herbeigeführt wurden, betrafen auch diejenigen, die gewissenhaft und fleißig fortarbeiteten. Der Ruf der ganzen Industrie wurde in Frage gestellt." Lothar Faber war es, der 1874 beim Reichstag eine Art Markenschutz erwirkte, der 1877 in das Reichspatentgesetz einfloss.

Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Bayern 26 kleinere und größere Bleistiftfabriken. Allein 23 davon hatten ihren Sitz in Nürnberg und Umgebung. Neben den 10.000 Arbeitern in den Fabriken verschaffte dieser Industriezweig noch zahlreichen Beschäftigten in Zulieferbetrieben Arbeit.

Die Scharte der "minderwertigen Ware" war um 1900 endgültig ausgemerzt. Produkte aus Nürnberg genossen/genießen Weltruf. Die maschinellen Errungenschaften im Industriezeitalter ermöglichten eine Massenproduktion die weltweit vermarktet werden konnte, brachte aber auch einen spürbaren Rückgang der Beschäftigten mit sich. 1906 wurden mit nur noch 4.000 Arbeitern und Arbeiterinnen 400 Millionen Bleistifte hergestellt. Die Mitarbeiterzahl bei Zulieferbetrieben wurde mit 6.000 Personen beziffert.

Elf Bleistiftfirmen gab es vor dem Zweiten Weltkrieg in und um Nürnberg. Nur einige der namhaften Betriebe produzieren heute noch. Firmen wie Staedtler, Faber-Castell, Lyra oder Schwan-Stabilo haben ihre Produktpalette enorm erweitert. Nicht nur Farben und Stifte für den Schul-, Büro- oder Künstlersektor sind im Sortiment, auch das Angebot an Kosmetikprodukten ist heute ein wichtiger Umsatzfaktor. Firmeneigene Erlebnisshops und themenbezogene, auf die Käuferschicht ausgerichtete Shops gehören in unserer Zeit zu den Marketingmaßnahmen der Unternehmen.



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Text: mw
Verwendete Literatur: DNA, NWM, BNN

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