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Elektroindustrie in Nürnberg

Die Nürnberger Elektroindustrie des 19. Jahrhunderts galt als weltweit führend. Genauer betrachtet muss man unterteilen in Schwachstrom- und Starkstromtechnik, die sich in ihrer Anwendung unterscheiden. Schwachstrom bedient Geräte der Kommunikationstechnik, während der durch die dynamoelektrische Maschine erzeugte Starkstrom damals zum Betrieb von Lampen genutzt wurde. Zwei Pioniere der jeweiligen Sparte waren in Nürnberg tätig: Friedrich Heller und Sigmund Schuckert.


Der Mechaniker Friedrich Heller gründete 1858 in der Vorderen Sterngasse seine mechanische Werkstätte, in der er dynamische Apparate und elektrotherapeutische Geräte fertigte. Heller war der erste Nürnberger der an seiner Tür eine elektrische Klingel anbrachte. Der Mechaniker mit viel Erfindungsreichtum war immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Als er zwei verbesserte Telefone des Amerikaners Alexander Graham Bell erwarb, baute er diese nicht nur nach, sondern verbesserte sie auch noch. Er ging mit seinen 1877 vorgestellten Apparaten hausieren und stellte sie den Postbehörden vor. Apropos Post! Das erste Telegrafenamt Nürnbergs befand sich direkt neben der Frauenkirche, war mit drei Beamten besetzt und verfügte über zwei Telegrafenapparate.

Hellers "Fabrik elektronischer Apparate für Telephonie und Signalwesen" erhielt 1883 von der bayerischen Postverwaltung den Auftrag für 400 Telefonanlagen. Schon bald war das Telefon nicht nur bei Behörden verbreitet, auch private Kunden bedienten sich des neuen Mediums. Bereits 1884 lieferte Heller 10.000 Privattelefone aus, sowie weitere 1.700 Geräte für Post und Bahn. Das steigende Auftragsvolumen machte 1889 den Umzug in eine neue Fabrik an der Peterstraße notwendig. Zu dieser Zeit arbeiteten 150 Arbeiter und 25 Angestellte in dem Neubau in Gleißhammer.

Es etablierten sich auch Zulieferbetriebe die sich auf Zubehör für Schwachstromtechnik spezialisierten. So etwa die 1880 gegründete Firma von Joseph Obermaier, die 1895 von Felten & Guilleaume, Carlswerk AG übernommen wurde. Auch der 1903 gegründete Betrieb von Fritz Neumeyer, welcher später auch "Zündapp-Motorräder" herstellte, war in diesem Segment tätig. Sein Werk beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg 600 Arbeiter. Die Firma Gottfried Ehemann & Co. hatte zwölf Mitarbeiter und warb für "Complete Einrichtungen von Telephon-Anlagen". Die in der Breiten Gasse und Königstraße ansässige Firma Heckel & Bode empfahl ihr Sortiment als "Wirklich gute und staunend billige Telegraphen und Telephone".

Der Pionier in dieser Branche, Friedrich Heller, kam 1904 in Liquiditätsschwierigkeiten und wurde ebenfalls von der Felten & Guilleaume, Carlswerk AG übernommen, die bereits eine Zweigniederlassung in Lichtenhof betrieb. Im Jahr 1912 firmierten die Firmen Hellers und Obermaiers unter dem Namen "Süddeutsche Telefon-, Apparate-, Kabel- und Drahtzieherwerke AG" die 1930 den Namenszusatz TeKaDe erhielt.

Etwas später entwickelte sich der andere Zweig der Elektroindustrie: Die Starkstromtechnik. Bevor sich Sigmund Schuckert 1873 in der Schwabenmühle seine "Mechanische Werkstätte" einrichtete arbeitet er auf seiner Wanderschaft bei Siemens & Halske in Berlin, sowie der Telegrafenbauanstalt von T. A. Edison in Amerika. Sein Forscherdrang galt der Kraftübertragung und der elektrischen Beleuchtung. Er konstruierte Dynamos nach dem Siemens´schen Prinzip und entwickelte diese weiter.
Seine Experimente und Demonstrationen mit Stromgewinnung und Illumination inszenierte der Tüftler meist öffentlich. Am 7. Juni 1882 nahm der Mechaniker drei Bogenlampen in Betrieb, die den Josephsplatz und einen Teil der Kaiserstraße hell erleuchteten – Deutschlands erste elektrische, dauerhaft betriebene Straßenbeleuchtung. Solche Pionierleistungen blieben nicht unbeachtet. 1876 erhielt Schuckert den König-Ludwig-Preis, inklusive einer Subvention von 50.000 Mark, für seine "dynamoelektrische Maschine".

Auch Werner von Siemens blieb Schuckerts Tun nicht verborgen, sodass er sich 1874 brieflich bei dem Physiker Friedrich Wilhelm Hubert von Beetz nach seinem Konkurrenten erkundigte: "In Nürnberg wohnt ein Mann, Namens S. Schuckert, welcher Zirkulare ausschickt, in welchen er sich zur Lieferung von dynamoelektrischen erbietet. Auffallend sind mir dabei die Leistungsfähigkeit und Kosten, die ich nicht recht zusammenreimen kann. Ich wollte Dich nun bitten, auf meine Rechnung eine solche Maschine (nicht zu klein) kommen zu lassen, sie zu probieren, zu untersuchen und sie mir dann zuzuschicken. Daß ich sie nicht nachbauen will, kannst Du Dir denken. Es wird aber so viel in der Sache renommiert, dass ich der Sache mal gründlich auf den Zahn fühlen möchte!"

Als Schuckert seine ersten Bogenlampen erstrahlen ließ, galt die Elektrizität zu Beleuchtungszwecken als eher ungeeignet. Doch der Mechaniker erkannte bereits, dass dies die Zukunft der Lichterzeugung sein wird. Als die Wienerin Agathe von Roennenbeck die Erste Bayerische Landes-Gewerbeausstellung in Nürnberg besuchte, notierte sie: "Wunder über Wunder. Die Stadt des Böheim und Hans Sachs hat elektrische Beleuchtung."

Aber auch andere Nürnberger Firmen waren im Starkstrombereich tätig. So etwa der 1890 gegründete Betrieb der Gebrüder Soldan für elektrische Apparate, der 1897 in die Elektrizitätsgesellschaft "Soldan & Co." umgewandelt wurde. Diese Firma beschäftigte 70 Mitarbeiter sowie 19 Angestellte und erwirtschaftete einen Umsatz von 350.000 Mark jährlich. Auch die Berliner "Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft" (AEG) hatte in Nürnberg seit 1922 einen großen Standort, der vom schwedischen Mutterkonzern Elektrolux 2007 rücksichtslos geschlossen wurde. Auch C. Conradty, Gossen-Metrawatt und die Geyer AG sowie die Lumophon-Werke sind/waren bedeutende Firmen der Nürnberger Elektroindustrie.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: BNN, NWM, SLN

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