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Hopfenhandel in Nürnberg

Nürnberg war einst der Welthandelsplatz für Hopfen. Obwohl schon im 14. Jh. Hopfenhandel in der Pegnitzstadt nachgewiesen ist, entwickelte sich dieser Handelszweig erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem wirtschaftlich wichtigen Faktor.


Die im Umland liegenden Hopfenanbaugebiete Hersbruck, Lauf, Spalt und Altdorf vermarkteten ihre Produkte selbst, deshalb war der Nürnberger Hopfenmarkt im 16. Jh. eher unbedeutend. Dies änderte sich erst ab 1806 nach dem Übergang Nürnbergs an Bayern. Da der Handel mit dem "Grünen Gold" seit Mitte des 18. Jh. vorwiegend in jüdischer Hand lag, versuchte man die jüdischen Händler aus dem Geschäft zu drängen, was zeitweise auch gelang. Nachdem der Umschlag anfangs bei der Stadtwaage stattfand, verlagerte der Großhandel später seine Geschäfte in die Karolinenstraße, dem späteren Welthandelszentrum schlechthin.

Durch die gute Verkehrsanbindung Nürnbergs und die zentrale Lage im großen Anbaugebiet Süddeutschlands, sowie die rasante Entwicklung im bayerischen Brauwesen, entwickelte sich der Umschlagplatz rasch. "Haustürgeschäfte" zwischen Hopfenanbauern und Brauerei, wurden durch die Zentralisierung in der Lorenzer Stadtseite hinfällig. Der Versuch, den Handel staatlich zu regulieren scheiterte am Boykott der Brauer und Händler.

Der Bierpreis wurde damals vom Staat festgesetzt. Die Biersteuer (Malzaufschlag) errechnete sich aus dem jeweiligen Hopfenpreis, der durch Umfrage bei den Händlern ermittelt wurde. Das es hierbei oft nicht mit rechten Dingen zuging, ist anzunehmen. So wurden beispielsweise nur die Durchschnittspreise für die besten Sorten herangezogen, was den Gerstensaft natürlich teuerer machte und den Staatssäckel dementsprechend füllte. Das Volk vermutete nicht zu Unrecht Betrug. Richtig zum Kochen brachten Obrigkeit und Brauer die Volksseele im Jahr 1866. Die Folge war der Nürnberger Bierkrawall, dem ein eigenes Kapitel gewidmet ist.

Wurden 1846 nur 4.700 Zentner Hopfen umgesetzt, waren es 1885 bereits 72.200 Zentner. Aber was löste diese Entwicklung aus? Einerseits entwickelte sich, wie bereits erwähnt, das Brauwesen ziemlich rasch, andererseits führte die Lockerung geltender Bestimmungen zu einem Aufschwung. So etwa die Aufhebung des Niederlassungsverbots für Juden im Jahr 1850. Zahlreiche jüdische Familien die seit Generationen im Hopfenhandel tätig waren, wie etwa Tuchmann, Hopfmann, Gerngros, Hesselberger oder Seidenberger, ließen sich in Nürnberg nieder. Aber auch Nürnberger Firmen engagierten sich verstärkt im Hopfenhandel, so z. B. Scharrer & Amberger (Hopunion) oder der Ultramarinfabrikant Johannes Zeltner, der Bruder des späteren Brauereibesitzers Johann Georg Zeltner. Da das Schwefeln von Hopfen in Bayern seit 1830 verboten war, ließen findige Händler ihre Ware in Hessen oder Württemberg "veredeln".

Nachdem ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten belegte, dass das Schwefeln von Hopfen unter bestimmten Bedingungen ungefährlich sei, wurde dieses Verbot am 10. April 1858 aufgehoben. In dem Dokument von Justus von Liebig heißt es: "Der Nutzen des Schwefelns der Hopfen für die Bewahrung der guten Qualitäten des Hopfens ist außerordentlich groß, daß wenn dasselbe noch nicht im Gebrauch wäre, die Entdeckung des Schwefelns als eine der größten und wichtigsten Erwerbungen für die Bierfabrikation angesehen werden müsste." Weil die Aufhebung jedoch vorerst nur für Mittelfranken galt, war dies ein entscheidender Faktor für den Hopfenhandel in Nürnberg. Zahlreiche Hopfenhändler zogen in die Frankenmetropole -– acht Hopfendarranstalten und 25 Handelsniederlassungen siedelten sich an.

Dass das Schwefelverbot 1862 bayernweit aufgehoben wurde sei hier nur am Rande erwähnt – Nürnberg hatte sich längst uneinholbar zum weltweiten Handelsplatz Nummer eins entwickelt. Das Schwefeln machte den Hopfen länger haltbar und ermöglichte so auch den weltweiten Export. Das dieses Verfahren nicht nur Befürworter hatte geht aus einem Beschwerdebrief der Lorenzer Kirchenverwaltung hervor, worin es heißt: "Die giftigen Schwefeldünste, welche sich vermöge ihre Schwere wie eine gelbe, unbewegliche Wolke in den ringsum von hohen Gebäuden eingeschlossenen Hof lagern, ertödten in wenig Tagen alle Vegetation (...) Da diese der Gesundheit so nachteilige Plage den Lorenzer Pfarrhof schon von der Ost- und Südseite bedroht, so würde eine dritte Gefahr von der Nordseite den Zustand vollends unerträglich machen."

Ab 1885 versank Nürnberg förmlich im Hopfen. Die Zahl der Hopfendarren war auf 160, die der Niederlassungen auf 364 angewachsen. Rund um die Mauthalle wurde das "Grüne Gold" gelagert. Da die Lagergebäude längst nicht mehr ausreichten, wurde das Naturprodukt einfach auf Straßen und Gehwegen abgelegt. In diesem Jahr zählte man 144.000 Ballen, was einem Gewicht von 72.200 Zentnern entsprach. Der Hopfenhandel hatte sich zu einem riesigen Gewerbezweig entwickelt und bot vielen Personen Arbeit. Neben Büropersonal, Vertretern und Einkäufern fanden auch Magazinarbeiter, Fuhrleute und Darrenkräfte Anstellung. Das viele Firmen nur Einmannbetriebe waren lässt sich aus der Tatsache schließen, dass 95 Prozent des Welthandels von 30 Häusern getätigt wurde.

Seine Blütezeit erlebte der Nürnberger Hopfenhandel zwischen 1880 und 1895. Ein Rekordergebnis brachte das Handelsjahr 1889/90. In dieser Zeit wurden 164.000 Ballen mit einem Gesamtgewicht von 82.000 Zentnern umgeschlagen. Das bayerische Anbaugebiet war 1895 auf 26.233 Hektar angewachsen. Da die übrige Welt im Hopfenanbau längst aufgeholt hatte, war das Gewerbe in den folgenden Jahren leicht rückläufig. Die Vormachtstellung als Handelsplatz blieb indes unangefochten. 1912 befanden sich in Nürnberg immer noch 250 Niederlassungen. Der Hopfenhändler Berthold Bing, ein Bruder von Ignaz Bing (Bing-Werke) resümierte in dieser Zeit: "Außerdem verfügt der Hopfenhandel hier noch über viele Hunderte von großen Lagerhäusern, vorzüglich eingerichteten auch maschinellen Verpackungs- und Präparier-Anstalten, und an keinem Platz der Welt sind gerade für den Hopfenhandel so bedeutende Einrichtungen geschaffen worden als in Nürnberg."

Damit man diesen Status auch halten konnte, war man auf den Weltausstellungen präsent. So etwa 1893 in Chicago und 1904 in St. Louis, wo die Firma M. Seidenberger den "Grand Prix" für ein neues Hopfenkonservierungsverfahren gewann. Der Nürnberger Hopfenhandel war (wieder) fast ausnahmslos in jüdischer Hand. Auch das Privatbankhaus "Hopfenhandelsbank" gehörte dem jüdischen Mitbürger Josef Kohn.

Der Niedergang des Nürnberger Hopfenhandels

Um 1900 begann der Niedergang des Nürnberger Hopfenhandels. Deutsche Anbauflächen wurden reduziert und die Hallertau etablierte sich als Hauptanbaugebiet des grünen Goldes. Die starke, ausländische Konkurrenz, besonders in Amerika, setzten den Nürnberger Hopfenhändlern schwer zu – ihre Anzahl reduzierte sich bis 1914 auf 260 Firmen. Der Erste Weltkrieg brachte weitere schwere Einschnitte mit sich. Der deutsche Hopfenhandel war vom Weltmarkt abgeschnitten und musste dadurch erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Inflation und die Prohibition in den USA, sowie eine verheerende Hopfenkrankheit (peronospora humuli) in der Hallertau taten ein Übriges.

Da große Firmen immer häufiger direkt beim Erzeuger einkauften, verlor der einst weltweit führende Nürnberger Hopfenmarkt immer mehr an Bedeutung, obwohl 1929 noch 240 Betriebe in der Frankenmetropole ansässig waren. Den endgültigen Niedergang erledigten dann die Nationalsozialisten. 1930 wurde der Hopfenmarkt geschlossen. Die Nazis eliminierten 70 Prozent der Handelsunternehmen. Von den noch verbliebenen 171 Betrieben mussten 120 Firmen verkauft oder aufgelöst werden. Die jüdischen Inhaber, darunter alteingesessene und weltweit bedeutende Geschäftsleute, wurden durch die Nazis ins Exil, manche in den Tod getrieben, ungeachtet dessen das diese Händler Nürnberg einst zum Weltmarktführer machten. Fachwissen und weitreichende Handelskontakte gingen somit unwiederbringlich verloren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die Lage grundlegend geändert. Die Hallertau hatte sich endgültig zum führenden Hopfenanbaugebiet gemausert und Handel sowie Verarbeitung an sich gebunden. Es wurden Verfahren entwickelt die eine gleich bleibende Qualität und längere Haltbarkeit ermöglichten. Für die so gewonnenen Hopfenpulver und -extrakte war das Schwefeln überflüssig geworden. Die Anlagen für diese Prozesse wurden in industrieller Größenordnung angelegt. Das endgültige Aus für den Nürnberger Hopfenhandel?

Fast. Ende der 1990er Jahre existierten in der Noris noch drei Hopfenhandelshäuser mit Weltgeltung: Johann Barth & Sohn, die Hopunion Raiser Scharrer KG und Lupofresh Allfeld & Egloff. Diese Firmen kaufen bzw. verkaufen weltweit und besitzen eigene Extraktionsanlagen und Hopfengüter im In- und Ausland. Somit bleibt der Name der Stadt weiterhin eng mit dem Hopfen verbunden.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: BIN, NWM, SLN

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