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Kaufhaus Schocken

Das einstige Kaufhaus Schocken am Aufseßplatz war nicht nur für Südstädter ein beliebter Anlaufpunkt. Noch heute befindet sich an selber Stelle eine Filiale der Kaufhof-Kette. Doch auch das wird, sofern kein Wunder geschieht, im Jahr 2012 Geschichte sein. Die Südstadt wird um einen Anziehungspunkt ärmer.


Am 18. März 1901 wurde in Zwickau ein Warenhaus durch die Brüder Moritz und Julius Ury eröffnet. Simon Schocken, der in die Familie Ury eingeheiratet hatte, wurde mit der Leitung des Hauses betraut. Simons Bruder, Salman Schocken, trat im selben Jahr in die Firma ein. Doch die Gebrüder Schocken strebten nach mehr, sie eröffneten 1904 in Oelsnitz ihr erstes Kaufhaus unter eigenem Namen.

Das Warenhaus Ury ging 1906 in alleinigen Besitz von Simon Schocken über. Gemeinsam mit Salman gründete man 1907 die Firma Schocken Söhne Zwickau. Der zentrale Wareneinkauf erfolgte vom Stammsitz in Zwickau aus. Bis 1913 wurden Filialen in Aue, Meißen, Cottbus und anderen Städten eröffnet. Schocken stieg zur viertgrößten Warenhauskette Deutschlands auf. Strategischer Kopf des Unternehmens war Salman Schocken.

Nürnberg war um die Jahrhundertwende die blühende Industriemetropole Bayerns. In der Südstadt waren bedeutende Firmen wie MAN, oder die Siemens-Schuckert-Werke angesiedelt, viele Arbeiter wohnten in der Umgebung ihrer Arbeitsstätte. Wahrscheinlich auch ein Grund für die Gebrüder Schocken ihr Warenhaus nicht in exponierter Lage der Innenstadt, sondern am Aufseßplatz 18 anzusiedeln.

Das Gebäude auf dem 5.000 qm großen Grundstück, eine alte Fabrikhalle, wird durch den Architekten Erich Mendelsohn nach allen Regeln des "Neuen Bauens" komplett umgestaltet bzw. erweitert. Nicht allen gefiel der schnörkellose Bau mit funktionellen Formen und großen Fenstern. Ein Journalist schreibt: "Der Bau lässt jede Mitarbeit des Künstlers vermissen, was gerade an unseren alten Patrizierhäusern dem Beschauer wohltuend ins Auge fällt."

Schon zwei Wochen vor der offiziellen Eröffnung herrschte in der Südstadt reger Betrieb. Täglich rollten die Waren für das Kaufhaus an: insgesamt 400.000 Kilogramm. Eine Menge die zwei Güterzüge hätte füllen können. Am 11. Oktober 1926 war es soweit: "Schocken – Kommanditgesellschaft auf Aktien" öffnete seine Tore. Tausende sollen sich am Aufseßplatz versammelt haben um den neuen Konsumtempel in Augenschein zu nehmen. Die Polizei musste den Verkehr regeln.

Der "Schocken" war von Anfang an erfolgreich. Doch worin lag das Geheimnis? Nun, die Kaufhauskette zielte auf die unteren Einkommensschichten ab. Bestmögliche Qualität zu günstigen Preisen lautete die Devise. Bevor ein Produkt ins Sortiment aufgenommen wurde, kontrollierte man die Qualität im firmeneigenen Warenprüfungsinstitut. Den Wareneinkauf tätigte die Zentrale in Zwickau für alle Häuser, was sich in günstigen Preisen widersiegelte.

Doch zu dieser Zeit gewannen die Nationalsozialisten immer mehr an Macht. Nürnbergs damaliger OB, Hermann Luppe, wurde schon nach der Eröffnung von der NSDAP kritisiert, weil er dem "jüdischen Kaufhaus Schocken" viel Glück gewünscht hatte. Die Nazis unkten dass "das Warenhaus dutzende von kleinen Existenzen vernichten und den Stadtteil mit schlechter Ware überschwemmen wird."

Nach der "Machtergreifung" Hitlers versucht das Regime Kaufhäuser wie Schocken oder KWT mit Boykottaktionen lahmzulegen, jedoch war Erfolg relativ bescheiden. Nachdem Simon Schocken 1929 infolge eines Verkehrsunfalls verstarb, führt Salman das Unternehmen in politisch schwierigen Zeiten alleine fort. Da die Machthaber den Druck auf Lieferanten, Geschäftspartner und Banken erhöhen, verkauft Salman 1936 die Mehrheit an einen englischen Investor, um den Konzern als "arisch" erscheinen zu lassen.

Dieser Schachzug läuft ins Leere, die Nazis lassen nicht locker. Schließlich erzwingt das Regime den Verkauf des Unternehmens an ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank. Alle Häuser werden ab 1. Januar 1939 unter dem Namen "Merkur" geführt. Während der Luftangriffe wurde das Haus am Aufsessplatz am 2. Januar 1945 schwer beschädigt, jedoch wird das Kaufhaus in den Nachkriegsjahren wieder aufgebaut.

Die Familie Schocken erhielt durch die US-Besatzer 51% des Grundkapitals der Merkur AG im Jahr 1949. Obwohl das Unternehmen sich bereits wieder positiv entwickelte, verkaufte Salman Schocken seinen Geschäftsanteil 1953 an Merkur, Horten & Co. mit Sitz in Nürnberg. Aus diesem Unternehmen wurde später die Horten AG mit Sitz in Düsseldorf, welche später durch die Kaufhof AG übernommen wurde.

In den Nachkriegsjahren war das Kasperltheater beim Schocken ein beliebter Anziehungspunkt. Die Puppenbühne der Familie Johannes gastierte von etwa 1948 bis ca. 1955 erst im Innenhof des damaligen Konsumtempels, dann auf dem Areal des heutigen Parkhauses. Kaufhausdirektor Hörning hatte das Spektakel, zu dem meist Hunderte von Zuschauern kamen, als Werbemaßnahme finanziert. Die fest aufgebaute Bühne wurde jeden Montag und Mittwoch bespielt. Es sollen sogar Zuschauer aus anderen Stadtteilen angereist sein. Nach der Schocken-Ära zog die Familie Johannes mit ihrer Puppenbühne durch bayerische Schulen und lehrte mit dem Verkehrskasperl den Schulkindern das richtige Verhalten im Straßenverkehr. Erst 1987 gingen die Puppenspieler samt ihren selbst geschnitzten Figuren in den Ruhestand.

Die Kaufhof-Filiale am Aufseßplatz ist heute (2011) die größte Geschäftsstelle des Unternehmens welche noch nicht zur Galeria Kaufhof umgestaltet ist. Wenn nicht noch ein Umdenken der Konzernspitze eintritt, wird dies auch nicht mehr geschehen. Mitte 2012 soll das Kaufhaus in der Südstadt geschlossen werden. Er herber Schlag, nicht nur für die 75 Kaufhofmitarbeiter.

Apropos. Egal welchen Namen das Warenhaus in den letzten Jahrzehnten trug, man ging nicht zu Merkur, Horten oder Kaufhof – man ging zum "Schocken" und das wird sich, zumindest bei älteren Mitbürgern, auch in Zukunft nicht ändern.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: SSG, SLN; Artikel der Nürnberger Zeitung v. 14.06.2011: "Ausnahmezustand am Aufseßplatz",
Schocken auf wikipedia.de

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