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Leichenfrauen in Nürnberg

Hochzeits- und Leichenordnungen gab es in Nürnberg bereits im 14. Jahrhundert. Darin wurde festgeschrieben wie eine Hochzeit oder Beerdigung auszurichten war. Der Rat der Stadt wollte die Bevölkerung, wegen allzu luxuriös und verschwenderisch ausgerichteten Feiern, vor Verarmung schützen. Eine eigene Abordnung des Inneren Rats überwachte die von der Obrigkeit ausgegebene Gebührenordnung. Die "Deputation zu den Hochzeiten" wurde, im Gegensatz zur Leichenordnung, bereits am 01.11.1800 aufgehoben.


So ist in einem Ratserlass von 1611 zu lesen: "Das Essen und Trinken im Leichenhaus wird verboten. Die Freunde des Verstorbenen, die in dem Leichenhause wohnen, mögen lediglich am Begräbnistage zu einem guten Freunde gehen und hier speisen. Auch der Seelwein, Brot oder Geld sollen nirgends hingeschickt werden, es sei denn darüber eine Anweisung des Verstorbenen ergangen." Weiter heißt es: "Bei keiner Leiche dürfen mehr als zwei Klagefrauen mitgehen. Das Beten und Klagen am Grabe wird nur für sieben Tage nach der Beisetzung gestattet." Auch die Leichentücher waren reglementiert: "Es soll kein Stoff aus Samt, Seide und Gold verwendet werden, sondern nur schwarze oder graue Wolle (...) Kein (Leichen)Schild soll mehr als drei Gulden kosten. (...) Wenn jemand solche Leichenordnung übertreten wird, der soll in Strafe von 10 Gulden verfallen sein, die von ihm unnachlässig genommen werden."

Im 19. Jh. übernahmen (größtenteils) Leichenfrauen Organisation und Ablauf einer Beisetzung. Diese Vorläufer der heutigen Bestatter, die von der Stadt amtlich zugelassen wurden und praktisch eine Alleinrecht innehatten, mussten vor dieser Zeit Konkurrenz in Form von Leichenbittern, später von Zeremonienmeistern und Lohndienern dulden. Aufgabe der Leichenfrauen war es, allgemeine Dienste bei Begräbnissen zu leisten, sowie die Leichen zu waschen und anzukleiden. Die Bezahlung erfolgte nach einer von der Stadt festgesetzten Gebührenordnung.

Wer in unserer Zeit schon einmal ein Begräbnis ausrichten musste weiß, dass dies ein kostspieliges Unterfangen werden kann. Im 19. Jh. war dies sicherlich nicht anders. Die Leichenfrauen besserten trotz ihrer Monopolstellung ihre Einkünfte durch Zusatzleistungen auf. Sie beschafften Särge und Leichenwäsche, letztere wurde bis 1950 selbst gefertigt, und übernahmen auf Wunsch auch weitere Aufgaben der Trauerfeier. Neid und Missgunst untereinander waren in dieser Zunft an der Tagesordnung. In der Bestattungs- und Friedhofssatzung von 1957 sind die Kosten wie folgt aufgeführt:

Für die Tätigkeit der Leichenfrauen gelten folgende Gebühren:
  a) Bei Leichen von Personen über 14 Jahre DM 20.—
  b) Bei Leichen von Personen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr DM 10.—
  c) Bei Totgeburten DM 5.--

Nach Gründung einer Bestattungsanstalt wurde jeder Leichenfrau ab 1907 ein eigener Leichenbezirk zugewiesen, was für längere Zeit für Ruhe unter den Konkurrentinnen sorgte. Ab 1955 kam es dann zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten, die in einer wahren Prozessflut endeten – Grund waren meistens die Nebengeschäfte. Der Nutzungszwang der Nürnberger Leichenfrauen wurde erst am 01.10.1971 durch die Stadt aufgehoben, nachdem das Bundesverwaltungsgericht am 29.09.1970 das sogenannte "Leichenfrauen-Urteil" sprach. Somit war der altehrwürdigen Institution der Rechtsboden entzogen. Seit dieser Zeit steht der gewerbliche Teil der städtischen Bestattungsanstalt im Wettbewerb mit privaten Bestattungsunternehmen.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: NHL, SLN

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