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Eisenwerk Nürnberg AG, vormals Julius Tafel & Co. (Tafelwerk)

Die Eisenwerk Nürnberg AG war einst das größte deutsche Schweißeisenwalzwerk. Gegründet wurde das Unternehmen, in Nähe des Ostbahnhofs, vom Stuttgarter Julius Tafel. Reste der ehemaligen Fabrik werden heute als Tafelhalle und vom Centrum Industriekultur genutzt.


Julius Tafel lernte das sogenannte Schrottpaketierverfahren im königlich württembergischen Hüttenwerk Königsbronn kennen. Bei diesem Verfahren wird zur Herstellung von Stabeisen zum großen Teil hochwertiger Schrott eingesetzt. Tafel hatte es während seines Werdegangs auch zum Direktor eines Schweizer Eisenwerks geschafft. Als 48-Jähriger entschloss er sich zur Selbstständigkeit und fand in Nürnberg den geeigneten Standort. Die blühende Industriemetropole Bayerns erschien ihm ideal, da er hier von anderen schrottverarbeitenden Eisenwerken weit entfernt war, des Weiteren gab es auch genügend Betriebe (MAN, Cramer-Klett, etc), von denen anfallender Schrott angekauft werden konnte.

Julius Tafel gründete 1875 die Kommanditgesellschaft Julius Tafel & Co. Stiller Teilhaber war Freiherr von Cramer-Klett, der nicht weit entfernt eine Maschinenfabrik unterhielt und sich zu dieser Zeit auf den Eisenbahnwaggonbau konzentrierte. Im auch als Tafelwerk bezeichneten Betrieb nahm man 1876 die Produktion auf.

Auf dem Firmengelände an der Äußeren Sulzbacher Straße standen anfangs eine 120 PS starke Dampfmaschine als Antrieb für die Walzstraße, eine Blech- und zwei Schrottscheren, sowie verschiedene Werkstätten zur Verfügung. Allerdings fehlten Arbeitskräfte mit speziellen Kenntnissen, sodass man 1878 auf französische Facharbeiter zurückgriff. Diese mussten 1887 wieder entlassen werden, da es zu einem schweren Zusammenstoß mit der deutschen Belegschaft kam.

Das Werk wurde in den ersten Betriebsjahren ständig erweitert. Aus der Kommanditgesellschaft entstand 1900 die Eisenwerk Nürnberg AG, vormals Julius Tafel & Co. Bereits 1899 hatte man mit der Herstellung von Teilen für den Eisenbahnbau begonnen. In einer Kleineisenwerkzeugstätte wurden Schienennägel und später auch Schwellenschrauben produziert. Eine Handelsschraubenfabrik ergänzte den Kleineisenbetrieb ab 1909/10.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Konkurrenzdruck stärker, und Staaten wie Österreich und Italien erschwerten durch Protektionismus Einfuhren. Der Erste Weltkrieg führte im Tafelwerk zu einem Produktionsrückgang – alle wehrfähigen Arbeiter wurden zum Militär eingezogen. Das Eisenwerk wollte auf Kriegsgüterproduktion umstellen, jedoch lehnte die Heeresverwaltung ein unterbreitetes Angebot zur Granatenherstellung ab. Nach Kriegsende war die Situation noch prekärer. Da Böhmen an die damalige Tschechoslowakei abgetreten wurde, entfielen die dringend benötigten Kohlelieferungen aus diesem Gebiet.

Um diese Lücke zu schließen, begab sich das Eisenwerk Nürnberg auf die Suche nach einem deutschen Lieferanten. Fündig wurde man bei der Gutehoffnungshütte (GHH) in Oberhausen. Die GHH wollte ihre Aktivitäten ohnehin auf den süddeutschen Raum ausweiten. So übernahm der Konzern 1919 achtzig Prozent des Aktienkapitals vom Nürnberger Eisenwerk, 1921 hielten die Oberhausener bereits einen Aktienanteil von 95,6 Prozent. Gemeinsam gründete man noch die Fränkische Eisenhandelsgesellschaft mbH. Die GHH war auf Expansion aus, sodass die Anlagen, sowie Handelsschraubenfabrik und Walzwerk ständig erweitert wurden, ferner ließ man ein neues Verwaltungsgebäude errichten.

Das Tafelwerk war bis zu den 1920er Jahren zu einer beachtlichen Größe angewachsen. Zu dieser Zeit beschäftigte der Betrieb über 600 Arbeiter, die überwiegend nach Akkord bezahlt wurden – Gewinnmaximierung war das Ziel. Zum 50-jährigen Jubiläum heißt es in der Festschrift: "Auf der obersten Stufe steht das Interesse des Geschäfts. Ihm nachgeordnet ist die Kollegialität. Unter ihr, auf der untersten Stufe steht das eigene Ich." Im Gegenzug führte das Unternehmen einen Teil des Gewinns an Kranken- und Pensionskassen ab, auch Weihnachts- und Jubiläumsgaben wurden an die Belegschaft ausgezahlt.

Die Gutehoffnungshütte verlegte ihre Hauptverwaltung 1923 in die Noris, nachdem das neue Verwaltungsgebäude an der Äußeren Sulzbacher Straße fertiggestellt war. Im näheren Umkreis der Eisenwerk Nürnberg AG wurden betriebseigene Wohnhäuser gebaut, wie etwa in der Deinstraße, Julius-Tafel-Straße oder Löhnerstraße. Einige dieser Wohneinheiten gerieten 1981 in die Schlagzeilen, weil die GHH 96 Wohnungen an eine Sanierungsfirma verkaufen wollte. Die Umwandlung in Eigentumswohnungen hätte viele Mieter hart getroffen, wenn nicht die Stadt Nürnberg von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hätte und die betroffenen Einheiten übernahm. Das damals veraltete Tafelwerk wurde bereits 1975 stillgelegt.

Ihren letzten Höhepunkt erlebten die Fabrikhallen 1985 – die Ludwigseisenbahn feierte Geburtstag. Anlässlich des Jubiläums "150 Jahre deutsche Eisenbahn" dienten die Räumlichkeiten als Ausstellungsort – "Zug der Zeit – Zeit der Züge" wurden die Feiern überschrieben. Die Präsentation war dreigeteilt: eisenbahngeschichtliche Zeitreise, Lok- und Wagenhalle, DB-Leistungsschau. Im "Kursbuch" der Veranstaltung heißt es unter dem Titel "Großer Bahnhof für die Epoche der Eisenbahn":

"... Die Stadt der ersten deutschen Eisenbahnfahrt stellt das Gelände einer ehemaligen Eisenfabrik bereit, um die Geschichte des Geburtstagskindes zu erfahren. Hier steht – vom 15.Mai bis zum 18. August 1985 – kein Technik-Museum, sondern ein besonderer Zug: Der Zug der Zeit. ..."

Nach der Schau wurden die Fabrikanlagen abgerissen und mit Wohnhäusern bebaut. Als Zeugen des ehemaligen Tafelwerks sind das Verwaltungsgebäude und die südlich anschließende, ehemalige Schraubenfabrik erhalten geblieben. Letztere dient dem 1979 gegründeten Centrum Industriekultur seit 1988 als Ausstellungshalle. Des Weiteren befindet sich in dem Gebäude die sogenannte Tafelhalle, eine multifunktionale Spielstätte für Musik, Theater, Tanz und andere kulturelle Veranstaltungen. Das Verwaltungsgebäude wird seit 1984 von der Stadt angemietet und dem Centrum Industriekultur als Arbeitsstätte zur Verfügung stellt.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: DLE, IKP, SLN

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